BRAUEREI SCHINDLER

 

Entwicklung Gubener Vorstadt

Die Gubener Vorstadt, heute ein zentrumsnaher Stadtteil von Frankfurt (Oder), war im wörtlichen Sinne lange Zeit ein Ort vor der Stadt. Hier wurde angesiedelt, wofür in der mittelalterlichen Stadt kein Platz war, z. B. das Hospital St. Spiritus (Stichwort Ansteckungsgefahr).

Anfang des 18. Jahrhunderts entdeckten die vornehmen Schichten den Ort vor der Stadtmauer, erste Landhäuser und Villenbauten mit großen Gartenanlagen entstanden. Bis dahin wurde die Gubener Vorstadt u. a. agrarisch genutzt.

In den 1820er und 1830er Jahren verschaffte man schließlich dem wachsenden Frankfurt Platz, die alte Stadtbefestigung mit Mauern, Toren und Gräben wurde geschliffen. So öffnete sich 1821 mit Niederlegung des südlichen Teils die Stadt zur Gubener Vorstadt hin. Auf den dortigen ehemaligen Acker- und Gartenflächen entstanden repräsentative Wohnhäuser, u. a. für hochstehende Verwaltungsangehörige – z. B. in der heutigen Gubener Straße (Wilke, 1992, S. 9-19).

Die Weißbierbrauerei Ferdinand Schindler

Auch Gewerbe siedelte sich bald darauf an: In der Grundbuchseite der Gubener Straße 9 (Brandenburgisches Landeshauptarchiv) ist eingetragen, dass Ferdinand Leberecht Schindler am 16. 9. 1835 von Peter Andreas Koch das Grundstück für 3.000 preußische Taler erwarb (für Fragen zur Umrechnungen historischer Geldbeträge vgl. z. B. Website der Deutschen Bundesbank zu Kaufkraftvergleichen).

Bald nach dem Grundstückskauf – in den 1840er Jahren bis ca. 1850 – ließ Schindler sein Wohnhaus an der Straße errichten (Gramlich, 2003, S. 212). Der spätklassizistische Fassadenschmuck sollte sich durchaus messen lassen in der inzwischen vornehm gewordenen Umgebung. Zeitgleich entstanden die Wirtschaftsgebäude der Brauerei: laut Situationsplan von 1859 zur Straße hin ein eingeschossiger Ziegelbau, darin waren das Mühlhaus, das Kesselhaus mit Maschinen sowie das Waschhaus untergebracht; daran angrenzend das dreigeschossige, ebenfalls massiv gebaute Malzhaus; wiederum daran anschließend die Darre. Im Quergebäude (parallel zur Straße) wurde das eigentliche Brauereigebäude errichtet, mit anschließendem Seitengebäude Richtung Norden hin. Dieses wurde vor 1853 als Ziegelbau erbaut, im Inneren ist noch die ungewöhnliche „Konstruktion des zweiten Obergeschosses, eine außen von einer Mauerschale ummantelte Fachwerkkonstruktion“ erkennbar (Gramlich, 2003, S. 213).

Der hintere Grundstücksbereich zum Berg hin war mit einer Hofmauer abgegrenzt. Den Hofbereich Richtung Norden schloss die Remise mit Anbauten (u. a. die Retirade/Abort) zum Grundstück Gubener Straße Nr. 8 ab.

Für die Finanzierung nahm Schindler anfangs mehrfach Geld von Privatleuten auf, sein Grundstück diente jeweils als Hypothek: 1836 ein Darlehen über 5.500 Thaler; im gleichen Jahr nochmals 2.000 Thaler; 1837 2.000 Thaler; im gleichen Jahr nochmals 5.000 Thaler.

Im Frankfurter Adressbuch von 1848 war Ferdinand Schindler seit diesem Jahr als vor Ort wohnender Eigentümer gemeldet. Es sind dort noch zwei weitere Namen unter der Gubener Straße 9 verzeichnet. Vermutlich vermietete Schindler von Beginn an zusätzlich Wohnraum an Privatleute, darunter z. T. jährlich wechselnde Mieter.

1866 erwarb er zusätzlich das Nachbargrundstück Gubener Straße 8 für 18.000 Taler von der verwitweten Schlächtermeisters-Gattin Henriette Schmidt. Laut Frankfurter Adressbüchern war dieses Haus überwiegend als Wohnhaus für Privat-Mieter genutzt; Namen und Berufsbezeichnungen in den Adressbüchern zeigen eine finanziell z. T. etwas besser gestellte Mieterschaft an (z. B. Adressbuch 1869: „Seligsohn, Kaufmann“, „v. Gerlach, verw. Reg.-Präsident“, aber auch: „Heider, Diener“).

Nachdem in der Gubener Straße 9 alle Gebäude für den Brauereibetrieb errichtet waren, begann Schindler schon bald an- und umzubauen (Stadtarchiv Frankfurt (Oder), Baupolizeiakte Bd. 1). So beantragte er im Juli 1853 bei der Baupolizeiverwaltung Frankfurt, „eine dritte Etage als Trockenboden“ auf das Quergebäude aufsetzen zu dürfen.

Ein größeres Bauvorhaben plante er im Januar 1859: „1. in dem Brauhause einen Braukessel aufzustellen und zu diesem Zwecke einen Schornstein ausführen zu lassen, 2. einen Dampfkessel zum Betriebe der Schrotmühle und der Wasserpumpen aufstellen und mit einem Dampfschornstein versehen zu lassen, 3. zur Aufstellung eines Kühlschiffes einen massiven Anbau mit Pappdach erbauen zu lassen“.

Bereits anderthalb Jahr später, im Juni 1860, sollte der 1859 unter Nr. 2 erwähnte eingeschossige Gebäudeteil mit Schrotmühle, Dampfkessel und Wasserpumpen um ein Stockwerk erhöht werden (Seitengebäude zur Straße hin). Und einen Monat später sollte er sogar um zwei Stockwerke erhöht werden. Die Aufstockungen wurden vermutlich nicht ausgeführt, denn 1862 wurde ganz neu geplant: die „Erbauung eines neuen massiven Gebäudes (Darrhaus) mit Gewölbekeller, im Erdgeschoss u. a. der Darr-Feuerungsraum, Remise und Waschhaus, im ersten und zweiten Obergeschoss Darre und Boden (Lagerflächen).

Ein weiteres größeres Bauvorhaben, welches auch heute noch das Erscheinungsbild des ehemaligen Gewerbebetriebs charakterisiert, wurde Anfang 1875 beantragt: ein neues massives Kesselhaus mit Schieferdach, angebaut an die Vorderseite des Brauereigebäudes, dazu ein großer Schornstein, im Inneren des Kesselhauses eine neue Dampfmaschine mit Dampfkessel. Die Baugenehmigung wurde im Mai erteilt.

1 ©Stadtarchiv Frankfurt (Oder), BA I, XV, Baupolizeiakte Gubener St

Situationsplan 1875 „zur Erweiterung des massiven Kessel und Maschinenhauses“ mit Schornstein. Der eingezeichnete Anbau in der Ecke Malzhaus ­– Brauereigebäude bestand nie und war vermutlich ein Zeichenfehler des ausführenden Maurermeisters. Quelle: Stadtarchiv Frankfurt (Oder), BA I, XV, Baupolizeiakte Gubener Straße. 9, Bd. 1, 1851-1933.

Schon im August erreichte die Baupolizeiverwaltung ein neuer Antrag: die Verlängerung des Bierkellers unter dem Brauereigebäude Richtung Norden.

Seinen letzten größeren Umbau ließ Schindler 1879 vornehmen, diesmal auf dem Grundstück Gubener Straße Nr. 8: den Ausbau der Remise, welche an der südlichen Grenze zur Brauerei stand. Darin sollte u. a. untergebracht werden: die Retirade (Abort), Kohlenraum, Stallungen, Remise, Waschhaus.

Im April 1882 wurde von der Polizeiverwaltung die Genehmigung erteilt, „vor den Häusern Gubener Straße No 8 und No 9 Herrn Brauereibesitzer Ferd. Schindler gehörig“, ein Gerüst für Ausbesserungs- und Anstrich-Arbeiten an den Fassaden aufstellen zu dürfen.

Ferdinand Schindler verstarb am 8. 7. 1895. Sein Sohn Wilhelm führte die Brauerei weiter. Schon im August 1895 beantragte er, gemeinsam mit seiner Mutter Clara Schindler, die Errichtung eines „Comtoir-Gebäudes“ auf der Rückseite des Wohnhauses Gubener Straße 9 (heute nicht mehr erhalten).

1897 folgte ein Antrag von Wilhelm Schindler zur Genehmigung eines „Anbaus für 2 Holztennen auf dem Brauereigrundstück“ mit Keller- und Erdgeschoss (Rückseite Brauhaus zum Garten hin).

2 ©Elisabeth Boxberger, Januar 2017

Rückseite Wohnhaus Gubener Straße Nr. 9. Der helle Fleck an der rechten Ecke zeigt vermutlich den ehemaligen Kontoranbau von 1895. Foto: Elisabeth Boxberger, Januar 2017.

Im Frankfurter Adressbuch von 1893 war Wilhelm Schindler noch als „Brauerei-Techniker“ in der Fischerstraße wohnhaft gemeldet. Nach dem Tod seines Vaters zog er in das Wohnhaus Gubener Straße 9 ein. Seine Mutter bezog kurz darauf Wohnraum in der Gubener Straße 8 (sie ist im Adressbuch von 1908 letztmalig dort genannt).

Im Oktober 1900 ging bei der Stadtverwaltung ein Schreiben der Maschinen-Fabrik und Kesselschmiede W. Schneider & Co. ein bezüglich eines neuen Kessels für die Brauerei. Jedoch ist unklar, ob es sich hier um einen Brau- oder Dampfkessel handelte. Die Überlieferung der baupolizeilichen Akten im Stadtarchiv Frankfurt (Oder) zur Brauerei Schindler endet mit diesem Schreiben von 1900.

Wilhelm Schindler blieb lt. Grundbuch bis April 1921 Eigentümer der Gubener Straße 9. Jedoch ist in den Frankfurter Adressbüchern seit 1908 für die Liegenschaft Gubener Straße 8 ein neuer Eigentümer eingetragen: „Wolff, Waschanstaltsbesitzer“.

3 ©Elisabeth Boxberger, Januar 2017

Links ehemalige Darre der Brauerei, rechts daran anschließend die Mälzerei. Foto: Elisabeth Boxberger, Januar 2017.

4 ©Elisabeth Boxberger, Januar 2017

Seitengebäude, welches nördlich an das ehemalige Brauhaus anschließt. Foto: Elisabeth Boxberger, Januar 2017.

Literatur

Gramlich, Sybille, u. a. (2003): Denkmale in Brandenburg, Bd. 3: Stadt Frankfurt (Oder). Worms am Rhein: Wernersche Verlagsgesellschaft (= Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland).

Käferstein, Martin (2016): Historische Grundbücher als Informationsquelle für die Bauforschung am Beispiel der Grundbuchblätter Gubener Straße 8-9 in Frankfurt (Oder).
Hausarbeit im Fach Bau- und Kunstgeschichte, Masterstudiengang Schutz Europäischer Kulturgüter, Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder).

Wilke, Günter (1992): Ein Streifzug durch die Baugeschichte der Gubener Vorstadt vom 17. bis 20. Jahrhundert. In: Historischer Verein zu Frankfurt (Oder) e. V. (Hrsg.): Mitteilungen. Heft 1: S. 9-19.


Sonstige Quellen

Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Rep. 105 K II AG FfO GB FfO Gubener Vorstadt, Bd. 4.

Deutsche Bundesbank: Kaufkraftvergleiche historischer Geldbeträge. Veröffentlicht im Internet, URL: https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Standardartikel/Statistiken/kaufkraftvergleiche_historischer_geldbetraege.html (Abfrage vom 1. 3. 2017).

Stadtarchiv Frankfurt (Oder), BA I, XV, Baupolizeiakte Gubener Straße 9, Bd. 1, 1851-1933.

Stadtarchiv Frankfurt (Oder), BA III, Archivbibliothek, II 408, Wohnungs- und Adressbücher 1846-1940/41.